Deutsche Diamanten in
Südwest
Ein Reisebericht
Im Herbst 2015 hatten meine Frau und ich die Gelegenheit zum vierten Mal das südliche Afrika zu bereisen. Ziel dieser Reise war es sich auf den Spuren Deutschen Notgeldes im 1. Weltkrieg zu bewegen. Schwerpunkte sollten hierbei das Diamantensperrgebiet um Lüderitzbucht (Heute Lüderitz) sowie Swakopmund sein. Unsere Anreise erfolgte per Flugzeug über Frankfurt mit Ziel Kapstadt/Südafrika. Da uns auf dieser Reise größtenteils Schotterpisten und teilweise auch tiefe Sandfelder erwarteten wurde von uns ein Toyota Hilux 4x4 gemietet. Über Stationen am Tafelberg, Clanwilliam, den Zederbergen und Springbok reisten wir über den Grenzübergang Vioolsdrif nach Namibia ein. Über Ramansdrift, den Fishrivercanyon, Seeheim, Keetmanshoop ging es nach Aus. Aus ist und war schon zur deutschen Zeit die letzte Versorgungsstation bevor man das Gebiet der Namib betrat um nach Lüderitz zu gelangen. Der kleine Ort mit etwa 100-200 Einwohner (Der Reiseführer nennt 30 Einwohner was aber nach eigener Wahrnehmung nicht sein konnte) bietet neben dem Bahnhofshotel, mit ganz hervorragendem Essen nur noch das ehemalige südafrikanischen Gefangenenlager für die Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade der Deutschen Schutztruppe als besuchenswerte Attraktion. Bild 1 zeigt den Autor auf den Gelände des ehemaligen Prisoner of War Lagers Aus vor einer Gedenktafel.
Etwa zwei Wochen nach der Kapitulation der Deutschen Schutztruppe bei km 500 an der Otavi Bahnstrecke am 21. Juli 1915 wurden 797 deutsche Gefangene an diesen unwirtlichen Ort am Rande der Namib gebracht. Später kamen noch weitere Gefangene hinzu, so dass Mitte August 1552 Kriegsgefangene im Lager untergebracht waren. Hinzu kamen noch ca. 600 Offiziere und Mannschaften der südafrikanischen Garnison. Grund für die Einrichtung des Lagers an diesem Ort, war die während des Krieges zerstörte und von den Unionstruppen wieder hergestellte Bahnlinie von Lüderitzbucht nach Aus. So konnten die Insassen und Bewacher von Kapstadt über Lüderitz mit Gütern des täglichen Bedarfs versorgt werden. Ursprünglich bestanden die Unterkünfte für Gefangene und Bewacher aus Zelten. Schon bald jedoch errichteten die deutschen Gefangenen aus selbst hergestellten Lehmziegeln wetterfeste Unterkünfte. Ende 1916 meldete der Lager Älteste Hauptmann Johannes Manhardt an den Kommandeur der Schutztruppe Oberstleutnant Franke, dass alle Gefangenen ein Dach über dem Kopf hätten und keine Zelte mehr benötigt würden. Im Gegensatz zu den Bewachern, diese mussten bis zur Auflösung des Lagers 1919 in Zelten leben. Das Zelt Dorf der Unionstruppen ist im Hintergrund des Fotos (Bild 2) zu erkennen. Bild 1 und 3 zeigen das Areal 2015. Von den Lehmziegelhäusern ist nicht mehr viel erhalten geblieben, lediglich einige Grundmauern lassen sich noch finden. Im hinteren rechten Teil des Bildes 1 ist eine Baumgruppe zu erkennen (vor der Hügelkette im Hintergrund). Dort befand sich das Zeltlager der Mannschaften der Südafrikanischen Garnisonstruppen (Vergleiche mit Bild 2). Heute findet sich dort die Mülldeponie von Aus. Von Aus führt nur noch eine Straße Richtung Westen. Die B4 nach Lüderitz. Es sind ca. 125 km durch die Namib zu bewältigen. Im Gegensatz zu vor hundert Jahren, wo die Strecke von Skeletten verdursteter Zugochsen markiert wurde, fährt man heute auf einer gut ausgebauten Asphaltstraße, immer entlang der noch von den Deutschen gebauten Bahnlinie nach Lüderitz. Rechts und links der Straße beginnt das Diamantensperrgebiet. Auf der Höhe der ehemaligen Bahnstation Garub biegt rechts ein kurzes Stück Piste ab. Es führt zu einer kleinen Wasserstelle an der sich die berühmten Wildpferde (und natürlich auch anders Wild) der Namib sammeln. Angeblich sollen die Tiere die Nachfahren entlaufener Schutztruppenpferde sein. Die Tiere bieten einen traurigen und nicht mit deutschen Pferden zu vergleichenden Anblick. Dies verwundert auch nicht, den jegliche Form von Gras oder anderem Grün ist weit und breit nicht zu erkennen. Die Tiere sind unter den harten Bedingungen der Namib zu echten Überlebenskünstlern geworden (Bild 4).
Nach der kurzen Pause bei den Wildpferden der Namib machten wir uns wieder auf den Weg um am späten Nachmittag Lüderitz zu erreichen. Wir hatten uns in die sehr empfehlenswerte Pension „Zur Waterkant“ der Familie Hälbich einquartiert. Die Vorfahren der jetzigen Besitzer gehörten zu den ersten Siedlern in Südwest. Unter anderem ist Ihnen die Gründung der Stadt Karibib zu verdanken. Natürlich nutzte ich die Gelegenheit bei so einem Gastgeber etwas über die deutsche Zeit in Südwestafrika zu erfahren. Durch die gute Vernetzung der deutschstämmigen Lüderitzer wurde auch gleich telefonisch bei der Kuratorin des Heimatmuseums in Lüderitz für den übernächsten Tag ein Recherchetermin im Archiv des Museum vereinbart. Doch bis zu diesem Termin war noch etwas Zeit. Von Deutschland aus hatten wir bei der einzigen, von der NAMDEB lizensierten Agentur für Fahrten in Diamantensperrgebiet eine Tagesfahrt nach Pomona und Bogenfels gebucht. Beide Orte liegen südlich, tief im Sperrgebiet und können nur nach einem aufwändigem Genehmigungsverfahren mit Voreinsendung von Passkopien und Ein- und Ausfahrtsregistrierung besucht werden. Los ging es am nächsten Tag nach dem Frühstück. Abgeholt wurden wir mit einem Toyota 4x4. Nach kurzer Fahrt stieß noch ein zweites Fahrzeug zu uns. Nun ging es nach Kolmannskuppe zur Registrierungsstelle der NAMDEB. Hier wurden Fahrer und Fahrzeug nebst Gästen registriert. Zusätzlich mussten die Fahrer noch einen Alkoholtest durchführen lassen. Offensichtlich gab es hier in der Vergangenheit öfters Probleme. Nach vollzogener Registrierung ging es zum Rotkopgate dem Eingang ins Sperrgebiet. Auf dem Weg dorthin wurden wir von unserer Führerin ausdrücklich belehrt, dass aus dem Sperrgebiet nichts aber auch gar nichts ausgeführt werden darf. Bekommt die Diamantenpolizei bei der Ausfahrt den Eindruck dass man diese Regel nicht befolgen will, kann eine ausführliche Durchsuchung von Personen und Fahrzeug erfolgen. Im schlimmsten Fall wartet ein Glas Abführmittel auf einen. Soweit wollten wir es dann doch nicht kommen lassen.
Bevor wir unser erstes Ziel im Sperrgebiet erreichten bekamen wir von unserer Führerin eine umfangreiche Einführung in die Geschichte der „Deutschen Diamanten“ in Südwestafrika.
Alles begann an der Bahnstation „Grasplatz“, eine etwas irreführende Bezeichnung da es dort nur Sand und nochmals Sand gibt. August Stauch war hier im April 1908 Bahnaufseher und hatte die Aufgabe mit einem Trupp einheimischer Arbeiter die Gleise von den ständig heranziehenden Wanderdünen frei zu halten. Da August Stauch geologisch interessiert war regte er seine Gehilfen an Ihm interessante und ungewöhnliche Steine gegen Belohnung zu bringen. Diese Aufforderung sollte die klügste Entscheidung des August Stauchs gewesen sein. Eines Tages fand Zacharias Lewala genau einen solchen „besonderen“ Stein. Der farbige Helfer aus der Kap Provinz zeigte den Stein seinem Vorgesetzten, der Ihn wiederum an Stauch weitergab Dieser erkannte schnell was dort gefunden wurde. Stauch handelte von nun an sehr umsichtig, um sicher zu gehen fuhr er nach Aus in das dortige Krankenhaus. Dort war der deutsche Arzt Dr. Peyer stationiert, die einzige Person die weit und breit über ein Labor verfügte. Dort wurde der Stein, gegen eine gehörige Provision, mit Flusssäure auf Echtheit geprüft. Es war ein Diamant!
August Stauch machte sich sofort auf den Weg nach Swakopmund um im besagten Gebiet einige Schürflizenzen zu erwerben. Diese waren seinerzeit für 60 Mark bei der zuständigen Deutschen Kolonialgesellschaft zu erwerben. Am 4. Juli 1908 berichtet der Windhoeker Anzeiger Zitat: “ Der Schürfschein-Inhaber Herr Stauch hat in Swakopmund kleine Diamanten freigiebig als Andenken an die Leute verschenkt. Herr Stauch hat an die zweihundert Edelsteine bei sich“. Zuvor meldete die gleiche Zeitung am 17. Juni 1908, Zitat:“ Aus Lüderitzbucht kommt eine Alarmnachricht. Es sollen nur 16 Kilometer landeinwärts an der Bahnstrecke echte Diamanten gefunden worden sein - nicht nur einzelne Steinchen, sondern Hunderte. Es soll auch bereits eine Reihe von Schürfscheinen gelöst worden sein. Auf unsere telegrafische Anfrage steht bis jetzt noch die Antwort aus“. Und einen Tag später las man im gleichen Blatt Zitat:“ Lüderitzbucht steht im Zeichen der Diamantenfunde. Alles hat Schürfscheine, alles liegt im Sand auf dem Bauch und scharrt nach Diamanten“. Nun setzte das ein, was in solchen Fällen immer passiert. Ein Heer von Glücksrittern machte sich auf den Weg nach Lüderitzbucht. Matrosen verließen Ihre Schiffe, Frauen und Kinder wurden von Ihren Männern in Stich gelassen, Angestellte verließen Ihren Arbeitsplatz, alle waren im Diamantenfieber, gleichwohl wusste kaum einer etwas über das Diamantenschürfen. Zunächst war das auch nicht nötig, die Steine konnten einfach im Sand aufgelesen werden. Mit der Zeit entwickelte sich ein anderes Problem, Wasser. Im Umkreis von 100 km um Lüderitzbucht gab es kein Wasser, die Stadt wurde mit Tankschiffen aus Kapstadt mit Trinkwasser versorgt. Zu entsprechenden Preisen!
Zurück zu unserer Reise. Inzwischen hatten wir unser erstes Ziel das Schürfgebiet Grillental erreicht. Grillental liegt in einem Gebiet welches von blauem Marmor durchzogen ist. Durch die oft wehenden starken Winde erzielen die an die Oberfläche tretenden Marmoradern mit Ihrer blau-weißen, durch den Wind poliert Struktur einen bleibenden Eindruck auf den Besucher. Grillental war ursprünglich ein Claim wie viele andere, erwies sich aber im Bezug auf Diamanten jedoch als wenig ertragreich. Dafür fand sein Eigentümer bei Bohrarbeiten Wasser und dass ist in der Namib fast genauso wertvoll wie Diamanten! Zu sehen ist heute noch ein Wohnhaus, das Pumpenhaus sowie zwei Brunnenstuben. Von hier aus wurde eine ca. 2“ starke Wasserleitung zur Diamantenwaschanlage Pomona verlegt. Auf dem Weg zu eben dieser Waschanlage passierten wir eine weitere Pumpstation (Bild 5) mit den zugehörigen Arbeiterunterkünften. Da dieses Gebiet praktisch seit den 20er-Jahren Sperrgebiet ist und so gut wie nicht betreten werden darf haben sich alle Gebäude und Einrichtungen in einem merkwürdig ursprünglichen Zustand erhalten. Nur der Wind mit seinem unerbittlichen Sand nagt an den Gebäuden. Auf einer dünenverwehten Piste führte uns der Weg ins Pomonatal, dort ändert sich nun die Landschaft. Wir fuhren in ein Tal welches rechts und links durch Hügelkämme gegrenzt ist. Im Tal selber findet man im Abstand von vielleicht 5 Metern kleine ca. 1 Meter hohen Hügel aus gesiebtem Kies der Körnung 2-16mm (Bild 6). Das ganze sieht aus wie ein Schachbrett wo auf jedem Feld ein Häufchen Reis liegt. Unser Guide erklärt uns, dass es sich hierbei um die Reste des auf Diamanten durchsiebten Talbodens handelt. Praktisch jeder Quadratmeter wurde mittels Trommelsieben durchsiebt. Kurze
Zeit später erreichten Wir die Waschanlage Pomona. Noch vor Erreichen der eigentlichen Anlage vielen die vielen seitlich abgelegten Trommelsiebe auf (Bild 7). Diese handbetriebenen etwa 2 Meter langen und 80cm im Durchmesser messenden Drehsiebe
gab es in drei Siebgrößen. Auf diese Weise wurde der Sand bis hinunter zu 2mm Körnung mehrfach gesiebt. Diamanten unter 2mm gingen dem zu Folge durch die Siebung und landeten beim Ausschuss. Da dieses Verfahren sehr mühsam und Zeitaufwendig war, wurde mit Erweiterung der Produktion für das Pomonatal eine zentrale Waschanlage errichtet (Bild 9).
Auf Feldbahngleisen wurde nun der Sand aus den Schürfgebieten hier her gebracht und im industriellen Maßstab durchsucht. Zunächst wurde der Sand „entstaubt“, d.h. die Körnung unter 2mm wurde entfernt und über eine Loren-Anlage seitlich gelagert. Im Laufe der Zeit sind so beeindruckende Mengen an „Staub“ angefallen, diesen kann man heute in Form von großen Dünen etwa 100 Meter hinter der Anlage noch besichtigen. Auch ist das innere der Anlage noch exzellent erhalten und man kann den Bearbeitungsschritten von der Sandanlieferung über das Waschen bis hin zum Sortiertisch folgen (Bild 10).
An die Anlage angefügt war auch ein kleiner Polizeiposten welcher für die Sicherheit sorgen sollte. Nach eingehender Besichtigung aller Gerätschaften machten wir uns auf den Weg zur Siedlung Pomona. Etwa 1-2 km von der Waschanlage entfernt auf einem Hügel fanden wir einige locker verstreute Häuser welche seinerzeit den Ort Pomona bildeten (Bild 11 und 12). Teilweise waren die Häuser in einem tadellosen Zustand, den Sand aus den Räumen kehren, die vom Sand blind geschliffenen Scheiben austauschen, alles neu streichen und man hätte wieder einziehen können. Es gab eine Kegelbahn (Bild 13) mit Kneipe (und einem riesigen Berg leerer Bier- und Weinflaschen dahinter, Bild 14), einen Arzt, eine Schule, eine Bahnstation für die Feldbahn, Vorsteher und Wohnhäuser sowie eine Messe zur Verpflegung der Arbeiter. Und das alles an einem der verlassensten Plätze der Welt.
Zurück ins Jahr 1908. In Lüderitzbucht bildete sich nach den ersten Funden eine Glücksritterstadt. Zahlreiche Diamantengesellschaften wurden gegründet, teilweise um realen Abbau zu betreiben aber auch um an der neu gegründeten Börse mit den Hoffnungen von Anlegern Geld zu verdienen. Zu dieser Zeit erforschte August Stauch die weiter Südlich von Lüderitz gelegenen Gebiete der Namib. Sie schlugen im Ida Tal (nach Stauchs Frau benannt) Ihr Nachtlager auf. Stauch beauftrage den Herero Arbeiter Jakop in der Umgebung Treibholz für ein Lagerfeuer zu suchen und fügte im Scherz hinzu, dass er auch gleich ein paar Diamanten mitbringen solle. Und das tat er auch! Das Ida Tal war so reich an Diamanten das man in wenigen Minuten die Taschen voller Steine hatte. Die Diamanten sollten so dicht wie Fallobst unter einem Obstbaum gelegen haben. Im Mondlicht glitzerte das gesamte Tal im unwirklichen blauen Licht der überall umherliegenden Diamanten. Professor Scheibe, der mitreisende Geologe, nannte es „wie im Märchen“. Von nun an wurde das Tal nur noch Märchental genannt. In der Tat fand die Expedition das reichste jemals entdecke Diamantengebiet. In den ersten 20 Monaten wurden 1 Million Karat aufgesammelt. Die größten Steine hatten 43 und bis zu 52 Karat! Dies machte Stauch endgültig zu Diamantenkönig Deutsch-Südwestafrikas.
Für uns galt es nun genau in dieses sagenumwogene Märchental zu gelangen. Nach der ausgiebigen Besichtigung Pomonahügels und einer kleinen Mittagspause mit Kartoffelsalat und Schnitzel in der ehemaligen Schule des Diamantenortes ging unsere Fahrt weiter Richtung Märchental (Bild 15).
Wie bereits beschrieben befand sich im Märchental das reichste jemals gefundene Diamantengebiet weltweit. Heute ist das Tal komplett bis auf den nackten Fels leer. Die Diamantensucher seiner Zeit hatten jeglichen Sand aus dem Tal mittels einer Feldbahn abtransportiert und zur zentralen Waschanlage zur Weiterverarbeitung geschafft. Um auch Diamanten in den letzten Gesteinsspalten zu finden wurde das komplette Tal zuletzt nochmals mit Handfegern durchgefegt und quasi stubenrein zurück gelassen. Heute bewegt man sich auf glattem Fels, dem ursprünglichen Meeresboden, durch das Tal. Sand gibt es nur noch in Form kleiner Verwehungen die im Laufe der Jahre mit dem Wind wieder Ihren Weg ins Tal gefunden haben(Bild 16).
Vom Märchental (Ida Tal) führte unser Weg nun zu einem wirklich beeindruckenden Wahrzeichen Namibias, dem Bogenfels. Gleichzeitig erreichen wir hier auch den südlichsten Punkt unsere Expedition ins Diamantensperrgebiet. Weiter Südlich befinden sich zurzeit noch aktive Abbaugebiete der NAMDEB die nicht betreten werden dürfen. In diesen Gebieten wird der Diamantenhaltige Sand hauptsächlich mit Saugschiffen gewonnen. Dazu werden Dämme vor der Küste aufgeschüttet um ganze Strandabschnitte von der Brandung abzuschneiden. In diesen Becken wird der Sand dann mit Saugschiffen aufgenommen und gewaschen. Das ist die derzeit effektivste Art der Diamantengewinnung. Weiter draussen auf See werden die Saugrüssel der Schiffe von Tauchern bedient die den Meeresgrund nach vielversprechenden Ablagerungen absuchen.
Doch zurück zum Bogenfels. Zwar war uns der Bogenfels aus zahlreichen Bildern bekannt gewesen doch hatte man auf den Abbildungen selten einen Größenvergleich. In Real ist er deutlich größer als ich erwartet hatte. Eine Wahrlich beeindruckende Naturerscheinung die auf Bildern nur unzureichend die imposante Wirkung auf den Besucher wiedergibt. Ein echtes Highlight unsere Reise.
Neben der Gesteinsformation Bogenfels gibt es auch einen gleichnamigen Ort Bogenfels. Der, wie Pomonahügel seine Existenz nur den Diamanten der Namib zu verdanken hat. Mittlerweile über 100 km südlich von Lüderitz war die Wasserversorgung an diesem, in der sonst wasserlosen Namib gelegen Ort nochmals erschwert. Zunächst versorgte man die Bewohner über See mit vor der Küste ins Meer geworfenen Fässer mit Süßwasser welche dann an Land getrieben wurden und letztlich geborgen werden konnten. Ein direktes Anlanden ließ der Küstenverlauf nicht zu. Später baute man einen Kondensator direkt unterhalb des Bogenfels, der aus Meerwasser Süßwasser gewinnen konnte. Wenn auch zu unglaublich hohen Kosten, den auch der Brennstoff für die Kessel der Anlage mussten heran geschafft werden. Erst nach Fertigstellung der Pomona Feldbahn bis Bogenfels und später bis zur noch weiter südlich gelegenen Prinzenbucht entspannte sich die Wassersituation ein wenig. Dennoch war Wasser ein begehrtes und teures Gut. Nur die unglaublichen Gewinne aus der Diamantenförderung machen ein solches Vorgehen wirtschaftlich vertretbar.
Bei der Fahrt durch die weit auseinander stehenden Häuser des Ortes Bogenfels (Bild 19 & 20) fällt ein Gebäude sofort ins Auge: Die Kegelbahn! (Bild 20 & 22) Offensichtlich war ein Deutscher Ort in Südwestafrika ohne Kegelbahn nicht denkbar.
Alle besuchten Geisterstädte des Diamantensperrgebietes verfügten über eine veritable Kegelbahn mit angeschlossener Kneipe. Eigentlich verständlich, gab es doch keine andere Möglichkeit der Zerstreuung in dieser nur durch Sand geprägten Umgebung.
Ein so bedeutendes Ereignis, wie es die Auffindung der reichen Diamantenvorkommen, für die Wirtschaft Deutsch-Südwestafrikas war, ruft natürlich auch immer den Staat auf den Plan. Sei es nun durch gesetzgeberische Handlungen welche Rechtssicherheit und Ordnung in die Ausbeutung der Vorkommen bringen soll oder um den Staat seinen Teil an den Einnahmen zu sichern. Insbesondere um den letzten Punkt klar zu stellen wurden vom Deutschen Reich zwei Massnahmen getroffen. Die Erste bestand darin, dass mit Wirkung vom 22. September 1908 durch den Staatssekretär Dernburg bekannt gegeben wurde, dass das gesamte Gebiet der Namib vom 26. Breitengrad bis an den Oranjefluß (Grenze zu Südafrika) in einer Tiefe von 100km von der Küste ins Landesinnere zum Sperrgebiet erklärt wurde und die Prospektion und Gewinnung von Edelsteinen nur noch durch die Deutsche Kolonialgesellschaft erfolgen durfte. Ausgenommen hiervon waren nur die schon bestehenden Schürffelder. Diese Verfügung führte zu starken Unruhen im Schutzgebiet, da sie den vielen kleinen Schürfern und Glücksrittern quasi Ihrer Existenzgrundlage zu Gunsten der staatlich gelenkten Kolonialgesellschaft entzogen.
Die Zweite betraf die von den Claim Besitzern zu leistenden Abgaben. Zum einen wurde eine Förderabgabe von 10% des Wertes auf alle südlich des 26 Breitengrades geförderten Edelsteine erhoben, des Weiteren viel ein Ausfuhrzoll von 10 Mark je Karat, ab 1909 von 33 1/3% des Verkaufserlöses an. Damit gingen über 43% des Verkaufserlöses an den Staat. Dies wiederum führte zu einem Ansteigen des Schmuggels von Diamanten über das Gebiet der Südafrikanischen Union. Dem begegnete man, indem man die Deutsche Diamanten Regie gründete und mit Kaiserlichen Erlass vom 16. Januar 1909 den Förderern die Verpflichtung auferlegte Ihre gesamte Produktion dieser Gesellschaft zur Verwertung zu überlassen. Damit wurde praktisch der Rohdiamantenhandel vollständig unter staatliche Kontrolle gebracht. Die Förderer hatten keinen Einfluss mehr wie und zu welchem Preis Ihre produzierten Steine verwertet wurden.
Die Diamantenindustrie blühte und gedieh trotz allem. In der Zeit von 1908 bis 1913 wurde 4,5 Millionen Karat mit einem Wert von 152 Millionen Mark gefördert. Alleine im letzten Friedensjahr betrug der Wert der geförderten Steine 63 Millionen Mark. Mit dem Jahresbeginn 1914 änderte die Diamantenregie den Vertriebsweg für die von Ihr übernommen Steine. Statt über den Diamantenhandel in Antwerpen wurden die deutschen Diamanten nun über das Diamantensyndikat in London verwertet. Damit stieg der Ertrag von 29 auf 43 Mark je Karat. Für die deutsche Diamantenindustrie bestand also Grund die Zukunft im rosigsten Licht zu sehen. Bis zum 04. August 1914, der Tag an dem die Nachricht über des Kriegsausbruch Südwestafrika erreichte. Auf Anweisung des Gouverneurs Seitz wurden die Förderarbeiten auf den Diamantenfeldern eingestellt. Die Europäer wurden zur Schutztruppe eingezogen, die ca. 4000 farbigen Arbeiter wurden entlassen. Damit war die Erfolgsgeschichte der deutschen Diamanten in Südwest beendet. Erst 1916 wurde die Förderung der Diamanten wieder aufgenommen, jetzt unter Südafrikanischer Regie.
Mit der Besichtigung des Diamantenortes Bogenfels erreichten wir den Wendepunkt unserer Tour in das Diamantensperrgebiet. Nun ging es über eine Wüstenpiste die von der NAMDEB angelegt wurde, wieder Richtung Rotkopgate. Nach 2 Stunden Fahrt erreichten wir den Ausgang des Sperrgebietes, nun ging es noch nach Kolmannskuppe um sich bei der Verwaltung der NAMDEB abzumelden und nochmals einen Alkoholtest abzugeben (für die Fahrer). Eine Durchsuchung des Fahrzeugs oder gar die Anwendung des Abführmittels blieb uns erspart. Glück gehabt!!!
Damit endete ein wirklich beeindruckender Tag und ein echter Höhepunkt unserer Namibiareise.
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