Titel-Reiseberichte

Ein Rundgang durch Tanga auf deutschen Spuren

2016 war es wieder soweit eine Reise nach Tansania stand an. Dieses Mal sollte es die Ostküste sein und hier bevorzugt der nördliche Bereich mit Tanga, Pangani, und Bagamoyo. Außerdem stand ein Abstecher nach Sansibar auf dem Programm. Hier berichte ich über den Rundgang durch Tanga und die noch auffindbaren deutschen Spuren. Los ging es im August 2016 von Frankfurt über Doha nach Daressalam. Von dort stiegen wir in den „Buschflieger“ nach Sansibar, weiter mit Zwischenlandung in Pemba um letztendlich unser Ziel Tanga zu erreichen.

Halbinsel Raskazone

Bild 1: Anflug auf Tanga über die Halbinsel Raskazone. Von hier aus starteten die Briten 1914 Ihren Angriff auf Tanga. mehr dazu weiter unten im Bericht.

Nach der üblichen Diskussion mit dem Taxifahrer, erst vereinbarten wir 10000 Shilling (4,50 Euro), am Ziel wollte er dann 20000 Shilling (9 Euro) erreichten wir unser Hotel auf der Halbinsel Raskazone.

Damit befanden wir uns bereits auf historisch interessantem Boden. Nur wenige Meter vom Standpunkt des Hotels landeten im November acht indische Regimenter mit ca. 8000 Mann um das nur schwach verteidigte Tanga einzunehmen. Was ja, wie bekannt ist, scheiterte. Doch dazu später mehr. Nach einer kurzen Erfrischungsrunde im (kleinen) Pool, stand die Planung der bevorstehenden Tour auf den deutschen Spuren in Tanga auf dem Programm. Wir beschlossen uns mit einem der örtlichen Kleinbusse (Daladala) in das ungefähr 3 km entfernte Stadtzentrum bringen zu lassen und dort unseren Rundgang zu starten. So geschah es dann am nächsten Morgen auch. Für rund 20 Eurocent pro Person stiegen wir in eine der Daladala welche an der Endhaltestelle Raskazone warteten. Der Einstieg an der Endhaltestelle hatte den Vorteil, dass der Bus noch nicht maßlos überfüllt war. Kleinbusse die bei uns für 9 Personen zugelassen sind, können hier schon mal mit 25 bis 30 Passagieren befüllt werden. Ich konnte das selber schon auf einer früheren Reise in Kigoma am Tanganykasee so erleben. Das Motto eines jeden Daladala-Fahrers ist „Einer geht noch rein“. Wie dem auch sein wir hatten an diesem Tag Glück und er Andrang hielt sich in Grenzen so dass wir eine angenehme und kurze Fahrt ins Stadtzentrum hatten. Wir stiegen am wilhelminischen Uhrenturm aus dem Jahr 1901 aus

Uhrenturm

Bild 2: Uhrenturm an der Seepromenade Tangas

Von dort orientierten wir uns Richtung Westen auf der alten Wissmann-Uferpromenade Richtung Jamhuri Park. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf die Tangabucht mit der darin liegenden Toteninsel. Die Insel wurde schon in vorkolonialer Zeit als Friedhofsinsel genutzt. Eine dauerhafte Besiedlung war nicht möglich, da es kein Süßwasser auf der Insel gab. In deutscher Zeit stand ein Leuchtturm auf der Insel, zudem wurde die Insel als Quarantänestation genutzt.

Toteninsel

Bild 3: Blick vom Jamhuri Park auf die vorgelagerte Toteninsel. Im Vordergrund eine Wilde Müllkippe. Unten am Ufer ist die neue Bahnlinie zum Hafen erkennbar.

Marinedenkmal2

Im Park selber findet man ein Marinedenkmal welches an die gefallenen Soldaten der deutschen Marineschiffe SMS „Leipzig“ und SMS „Sophie“ erinnert. Spuren der Besatzung letzterer fanden wir übrigens auch auf der winzigen Insel Chapwani vor Sansibar. Dort liegen auch die Gefallenen des britischen Kreuzers HMS „Pegasus“, welche beim Angriff der deutschen „Königsberg“ 1914 vor Sansibar gefallen sind.

SMS Leipzig

Bild 4: SMS Leipzig, Bild um 1890

Der Park selber liegt erhöht über der Bucht, was zwar, von den noch aus deutscher Zeit stammenden gemauerten Parkbänken einen schönen Blick ermöglicht, aber auch gleichzeitig eines der Probleme Tansanias verdeutlich: Wird die Böschung zum Meer hin doch als Mülldeponie genutzt. Das verleidet einem den ansonsten doch recht gepflegten Park ein wenig.

Bild 5: Deutsches Marinedenkmal im Jamhur-Park Tanga 

Jamhuripark

Bild 6: Der gepflegte Teil des Jamhuripark

Weiter geht es Richtung alter deutscher Boma. Entgegen den Angaben in diversen Reiseführern ist von dem Gebäude nur noch ein Schutthaufen übrig, Bis vor wenigen Jahren wurde das Gebäude noch von der tansanischen Stadtverwaltung genutzt. Dann wurde der Bauzustand so schlecht das diese Auszog. Zu guter Letzt wurde das Blechdach gestohlen und die Gebäudereste dem tropischen Monsun preisgegeben. Das bedeutete das Ende für das vormals prächtige Gebäude. Innerhalb 2 Jahren blieb nur noch ein Schutthaufen.

Boma-2

Bild 7: Die Überreste der Deutschen Boma

Boma-1

Bild 8: Die Überreste der Deutschen Boma

Besser erging es dem direkt nebenan liegenden, 1901 erbauten Bezirksamt. Nachdem 1999 die Regionalverwaltung auszog drohte dem Gebäude zunächst das gleich Schicksal wir der Boma. In letzte Minute jedoch besann mach sich und rettet das Gemäuer. Heute befindet sich das lokale Museum im Gebäude. Leider war das Museum bei unserem Besuch zunächst geschlossen. Wir wendeten uns daher Richtung Süden wieder dem Stadtzentrum zu. Kaum 100 Meter auf der alten Allee gegangen folgten uns zwei Einheimische wild gestikulierend auf einem Motorrad. Es stellte sich heraus, dass es sich um den Chairman des Museums handelt und er uns fragte ob wir eine Besichtigung wünschten. Da sagten wir nicht nein, auch wenn das Museum selber kaum Ausstellungsstücke besaß, das meiste waren verblichenen Fotokopien von Postkarten und Bildern aus dem Internet. Aber das Gebäude an sich war interessant. So konnten wir auf unserer exklusiven Führung auch die (leeren) Räumlichkeiten der Wohnung des Bezirksamtmanns besichtigen und einen Blick in die Wachstube auf dem Dach des Bezirksamtes werfen. Dort findet sich ein kleines Türmchen, in welchem seinerzeit ständig ein Askari stationiert war der die von Osten kommende Straße zu überwachen hatte.

Bezirksamt Rückseite Bezirksamt Allee
Bezirksamt Wohnung 1 Bezirksamt Wohnung 2

Bild 9-12: Altes Deutsche Bezirksamt, Tanga. Oben links: Ansicht von der Seeseite, oben rechts: Die Allee zum Bezirksamt, unten links: Veranda der Bezirksamtmannwohnung im 1.Stock, unten rechts: Esszimmer der Bezirksamtmannwohnung, links die Durchreiche zur Küche. Mitte: Durchgang zum Wohnraum, rechts Ausgang zur Veranda. 

Nach dieser kurzweiligen Besichtigung mit einem mitteilsamen Führer wendeten wir uns zum zweiten Mal der Stadtmitte zu. Auf der Boma Road ging es Richtung Süden bis zur Eckernförder Str. um hier wieder Richtung Osten abzubiegen. Dabei passiert man die alte deutsche und jetzige tansanischen Polizeistation. Als er uns ansichtig wurde, machte uns der wachhabende Polizist gleich klar das Fotografieren nicht erlaubt sei. Es ist in ganz Afrika eine weit verbreitete Einstellung, dass das Fotografieren von öffentlichen Gebäuden verboten ist, warum auch immer! Weiter ging es an der 1892 eröffneten „Tanga Schule“ vorbei (Fotografieren verboten) Richtung Bahnhof. Das Gebäude aus deutscher Zeit ist noch in recht guten Zustand, wenn auch mit den überall in Tansania vorhandenen „Gebrauchsspuren“ behaftet. Dem Anschein nach ist der Bahnhof nur noch in gelegentlicher Nutzung, jedenfalls war kein Personal zu sehen. Das gab uns Gelegenheit das Gebäude genauer zu besichtigen und zu fotografieren. Der Bahnhof hatte seinen wohl größten Auftritt als er im November 1914 als Ankunftsort für die Verstärkungstruppen Lettow-Vorbeck´s aus dem Kilimandscharogebiet (Kriegslager Moschi) diente. Ohne den Bahnhof bzw. die Nordlandbahn nach Moschi und den dadurch gegebenen schnellen Transportweg für die Verstärkungstruppen wäre Tanga in jenen Tagen des Novembers 1914 wohl in englische Hände gefallen.

Bahnhof-1
Bahnhof 2

Bild 13-14: Deutscher Bahnhof (links Vorderseite, rechte Rückseite)

Schlacht ebi Tanga Karte-2

Aufnahmeorte der hier geziegten Bilder:

1: Bild 2, Uhrenturm

2: Bild 5, Marinedenkmal

3: Bild 7-8, Boma

4: Bild 9-12, Bezirksamt

5: Bild 13-14, Bahnhof

6: Bild 16-17, Ehrenfriedhof

7: Bild 18, ehemaliger Bahnbogen

8: Bild 19, ehemaliger Bahnbogen

9: Bild 20-21, alter deutsche              Friedhof

10: Bild 22-27, altes deutsche               Krankenhaus                (Cliffblock)

11: Standort unseres Hotels

Bild 15: Karte der Schlacht bei Tanga (entnommen Lettow-Vorbeck, “Was Mir die Engländer über Ostafrika erzählten”

Vom Bahnhof folgten wir den Gleisen, welche von hier aus Ostwärts einen Bogen um Tanga machen um letztlich im Hafen zu enden. Eben dieser Bogen war 1914 die Kampflinie hinter welcher sich die 1000 deutsche Schutztruppler und Askaris verschanzt hatten. Der Vorstoß der Engländer begann am 2. November 1914. Mit zwei Kreuzern und 14 Transportschiffen liefen die Engländer vor Tanga auf und forderten die Übergabe der Stadt. Diese wurde von deutscher Seite abgelehnt. So entbrannte eine dreitägige Schlacht. Zunächst wurde Tanga nur von einer kleinen Freiwilligeneinheit und einigen Askaris, insgesamt ca. 300 Mann, unter Führung von Hauptmann Tom von Prince verteidigt. Die deutsche Hauptmacht unter Oberst Lettow-Vorbeck stand zu dieser Zeit noch am Kilimandscharo. Am 3. November landeten die britischen Haupttruppen auf der Halbinsel Razkazone (wo jetzt unser Hotel steht) und bildeten einen Brückenkopf auf Tanga zu. Den Deutschen gelingt es, dank der Eisenbahn, im Laufe der Nacht des 3/4. November weitere 700 Mann unter persönlicher Führung von Lettow Vorbeck aus dem 350km entfernten Moschi nach Tanga zu überführen. Nun stehen den Verteidigern 1000 Mann mit 21 Maschinengewehren zur Verfügung. Durch geschickte Truppenführung und Maschinengewehrangriffe über die Flanken gelang es die weit überlegenen englischen Truppen in Bedrängnis zu bringen. Gegen 18 Uhr am 04. November waren die Indischen Truppen nicht mehr in der Lage eine geschlossenen Schützenlinie zu bilden. Angeblich sollen Schwärme von, durch das Gewehrfeuer aufgescheuchte wilden Bienen bei der nun folgenden heillosen Flucht der Indischen Regimenter eine Rolle gespielt haben. Am Ende stand ein vollständiger Sieg der Schutztruppe. Die Engländer hatten 800 Gefallene, 500 Verwundete und 250 Vermisste zu beklagen. Auf deutscher Seite vielen 16 Deutsche und 54 Askari. Unter den Deutschen Verlusten war auch Hauptmann Tom von Prince. An jenem Platz, an dem v. Prince starb, befindet sich heute ein etwas verwilderter Ehrenfriedhof auf dem sich neben dem Grab von v. Prince auch die Gräber der übrigen 15 Deutschen sowie ein Gedenkstein für die gefallenen Askaris befinden

Friedhog gedenktafel

Bild 16: Gedenktafel auf dem Ehrenfriedhof, gelegen an der früheren Kampflinie 

Ehrenfriedhof

Bild 17: Grabsteine der 16 gefallenen Deutschen. Der allein liegende Stein rechts gehört zum Grab Hauptman von Prince.

Überschreitet man von hier aus die Gleise (die frühere Kampflinie, heute außer Betrieb) Richtung Osten kommt man nach ca. 200 Metern zum Friedhof von Tanga. In einem hintern Winkel findet sich auch der alte deutsche Teil der Ruhestätte. In dem leider sehr ungepflegten Areal finden sich viele deutsche Gräber die vom meinst frühen Tod, oft beim Bau der Nordbahn, zeugen

Gleisbett
Gleisbett-4

Bild 18: Altes Gleisbett des Bahnbogens zum Hafen (Ansicht richtung Bahnhof). Teilweise sind die überwucherten Gleise noch zu erkennen!

Bild 19: Altes Gleisbett des Bahnbogens zum Hafen (Ansicht Richtung Hafen).

Deutscher Friedhof2

Bild 20: Alter Deutscher Friedhof

Grab Schubert2

Bild 21: Grabstein des Paul Schubert. Alt wurden die meisten Kolonialisten in DOA nicht!

Von hier aus wendete wir uns nach Norden um das Deutsche Krankenhaus (genannt Sea Cliff Block) zu besuchen. Im Hotel hatten wir eine deutsche Delegation aus Ärzten und Bauingenieuren kennen gelernt welche den Auftrag hatten zu prüfen in wie weit der Cliffblock als Gebäude zu retten sein und wie eine weitere Verwendung aussehen könnte. Man hatte uns eingeladen doch vorbei zu kommen und das Gebäude zu besichtigen. Das wollten wir uns nicht zweimal sagen lassen. Wir sollten beim Pförtner lediglich sagen, dass wir zu den deutschen Ingenieuren wollten. Wie sich zeigte war das gar nicht nötig. Wir konnten einfach durchgehen und gelangten so ungefragt zum Gebäude. Der erste Eindruck war niederschmetternd. Offensichtlich stand dem Gebäude das gleiche Schicksal wie der Boma bevor. Die Fundamente hatten Risse, das Dach war undicht, Fenster und Türen fehlten. Das Ende war nah! Wirklich schade für das stolze Gebäude.

Cliffblock 1
Cliffblock 2

Bild 22-23: Seeseite des alten Deutschen Krankenhaus (Genannt Cliffblock)

Cliffblock 3 Cliffblock 4
Cliffblock 5
Cliffblock 6

Bild 24-27: Ansichten des alten Deutschen Krankenhaus (Genannt Cliffblock)

Mittlerweile erschöpft von der stundenlagen Wanderung in tropischer Hitze nahmen wir für umgerechnet 80 Eurocent eine vor dem Eingang des Krankenhauses wartende dreirädrigen motorisierten Rikschas um uns den Berg hoch zu unserem Hotel auf der Raskazone bringen zu lassen. Beim Abendessen im Hotel trafen wir wieder auf die deutsche Delegation und schilderten unsere Eindrücke. Die Bauingenieure sahen die Situation nicht ganz so schlimm und waren der Meinung, dass das Gebäude zu retten sein. Wohl müsste dringend ein neues Dach her. Zum einen drang Wasser ein, zum anderen schob das defekte Dach durch einen defekten Ringanker die Außenmauern auseinander. Letztlich würde das ohne schnelle Hilfe zu einem Zusammenbruch des Gebäudes führen. Wollen wir hoffen dass es gelingt das zu verhindern.

nach diesem ereignisreichen Tag planten wir dann am Abend den weiteren Reiseverlauf. Mit einem Mietwagen (mit Fahrer, ohne Fahrer sollte mann in Tansania nicht unterwegs sein!) sollte es von Tanga aus weiter Richtung Süden über Pangani in die erste Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas Bagamoyo gehen. Hierzu später mehr.    

 

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